Andrer Auftritt


[378] Henzi. Dücret.


HENZI.

Er hat ihn doch gesehn.

DÜCRET.

Ha! alles steht uns bei.

Hat Henzi Mut genug, so sind wir morgen frei.

HENZI.

Ein Geist wie du, hat stets die Vorsicht ausgeschlagen.

Was wüßtest du auch mehr, als tollkühn dich zu wagen?

An Mute fehlt mirs nicht. Doch an Bedacht fehlts dir.

DÜCRET.

O an Bedacht! Doch sprich, war Wernier nicht hier?

Vertraust du dich dem auch?

HENZI.

Kann ich mich dir vertrauen,

So kann ich doch wohl auch auf einen Berner bauen.

DÜCRET.

Trau, Henzi, traue nur, bis du verraten bist.

Was hilfts ein Berner sein, wenn man ein Sklave ist?

Ich kenn ihn mehr als du. Er ist dem Rat gewogen,

Sonst hätt er längst mit mir ein festes Band vollzogen.

Warum nimmt er mich nicht zu seinem Tochtermann?

Weil er den Feind des Rats in mir nicht lieben kann.

Denn so klein bin ich nicht, daß eine tolle Liebe

Den Haß der Tyrannei aus meiner Brust vertriebe.

Er hebt vielleicht sein Kind für einen Ratsherrn auf – –

HENZI.

O laß der frechen Zung nicht allzusehr den Lauf.

Scheu mich in ihm. Er ist mein Freund.

DÜCRET.

Das kann man hören,

Die Wahrheit würdst du mir sonst nicht zu sagen wehren.

HENZI.

Er haßt den Rat und dich. Nur haßt er dich noch mehr.

Doch schweig davon – – Kommt bald Wyß und Fuetter her?[378]

Ich habe vieles noch mit ihnen zu beschließen – –

DÜCRET.

So wird auch dieser Tag wohl ungebraucht verfließen.

Es ist gnug überlegt. Wag was man wagen muß,

Und kröne durch die Tat des langen Zauderns Schluß.

Komm mit mir aus der Stadt, das Landvolk zu verstärken,

Und zeige dich die Nacht mit blutgen Wunderwerken.

Erschrecke, morde, brenn, vertilge Kind und Haus,

Und lösch mit Feur und Schwerd Berns Schimpf und Knechtschaft aus.

Du schütterst? – – Feiger Mann – –

HENZI.

Nur feig zu Grausamkeiten.

Geh, Untier, deine Wut soll mich vom Recht nicht leiten.

Weißt du, ob Gott nicht selbst an unsre Freiheit denkt,

Er, der der Großen Herz wie Wasserbäche lenkt,

Daß sich der harte Rat auf unser Flehn erweichet,

Und dann am größten wird, wann er dem Bürger gleichet?

Verdienen sie den Tod, so hat Gott seinen Blitz.

DÜCRET.

Auf so was Kleines sieht er nicht vom hohen Sitz.

Er hat von Sorgen frei, Tyrannen zu bestrafen,

Empfindlichkeit und Wut und Stahl und Faust erschaffen.

HENZI.

Schweig Lästrer! Ich erweis an dir sonst mit der Tat

Warum er, was du nennst, allein erschaffen hat.

Bist du nicht hassenswert?

DÜCRET.

Nun wohl, man mag mich hassen,

Darf sich mein freier Geist nur nicht gebieten lassen.

Ich bin schadlos genug. Sei du die Lust der Welt,

Und dien, gerechter Mann, so lang es dir gefällt.

HENZI.

Fein höhnisch! Dienst du nicht, wenn du den Lastern dienest?

DÜCRET.

Wie lehrreich! Dienst du nicht, wenn du dich nichts erkühnest?

Was soll dir dann die Macht?

HENZI.

Durch sie Bern zu befrein,

Den Rat zu nötigen, groß und gerecht zu sein.

Er bleibe, was er ist, wann er uns nicht mehr drücket,

Wann Dienst und Regiment zum gleichen Teil beglücket,

Wann er als seinen Herrn erkennt das Vaterland

Und ist nur, was er ist, des Volkes Mund und Hand.[379]

Wie gern wird Bern alsdann in ihm sich selber lieben – –

DÜCRET.

Und er die Tyrannei nur etwas feiner üben.

Du hast Verstand genug zu einem Rädelsmann,

Doch Tugend allzuviel.

HENZI.

Die man nie haben kann.

DÜCRET.

Wer ist je ohne Blut der Freiheit Rächer worden?

Wer sich zu dienen scheut, der scheu sich nicht zu morden.

Die Not heißt alles gut. Sie hebt das Laster auf;

Und bald wirds Tugend sein, folgt Glück und Sieg nur drauf.

Wer Unkraut tilgen will, darf der die Wurzel schonen?

Sie wird die gütge Hand mit neuer Mühe lohnen.

Drum soll die Nachwelt auch durch uns geborgen sein,

Und wollen wir in uns auch unser Kind befrein,

So muß die Tyrannei und der Tyrann erliegen,

Denn nur durch dessen Tod ist jene zu besiegen.

So denkt Fuetter, Wyß, so denkt Richard und ich,

Und deine Gütigkeit scheint allen hinderlich.

Sieh, Henzi, dieses Blatt läßt dir die Namen wissen,

Die alle diese Nacht durch uns erkalten müssen.

Nimm. Lies es. Folget mir, geht heute nicht in Rat;

Weil er ohndem Verdacht, ob gleich auf uns nicht, hat.

Lies nur, doch laß dich nicht der Namen Menge schrecken.

Ihr schneller Tod wird uns die Freiheit auferwecken.

Was wagt man – –

HENZI lieset.

Steiger? Wie? Der soll der erste sein?

Der Redlichste des Rats? Das geh ich nimmer ein.

Soll das gerechte Haupt der Glieder Frevel büßen?

Ihn hat Freundschaft und Blut dem Vaterland entrissen.

Er kann Berns Vater sein. Bern seufzet noch um ihn.

Drum laß uns ihn dem Schimpf, sein Herr zu sein, entziehn.

DÜCRET.

Wohl! durch den Tod.

HENZI zerreißt das Blatt.

Da nimm die unglückselge Rolle

Und sage deiner Brut – – –

DÜCRET.

Daß Henzi dienen wolle?

Daß ihm des Feindes Blut wie seines kostbar ist?

Daß er des Staates Wohl um Steigers Wohl vergißt?

HENZI.

Ja Rasender!


Geht zornig ab.[380]


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 2, München 1970 ff., S. 378-381.
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