Streit der schwartzen augen/ rothen lippen/ und weissen brüste

[267] C.H.v.H.


Schwartze augen.


Wir schwartzen wolcken wir/ mit sonnen angefüllet/

Wir schönes finsterniß/ da Venus wache hält;

Wir duncklen brunnen wir/ da blitz und feuer qvillet/

Wir sind besiegerin der freyheit dieser welt.

Das eiß zerschmeltzt für uns/ das eisen muß uns weichen/

Die felsen geben nach/ es bricht der diamant;

Den purpur heissen wir durch unsre macht erbleichen/

Und manches hertz zerfleußt durch diesen süssen brand.


Rothe lippen.


Ihr augen thut gemach/ kan euer blitz entzünden/

So denckt/ daß auch der mund voll glut und feuer steckt;

Das rothe/ was sich will in diesen lippen finden/

Ist brand von reiner art mit rosen überdeckt.

Der athem/ so itzund aus diesem thale fähret/

Laufft jagens halber aus/ und rennet durch die welt.

Ich schwere/ daß er nicht von dar zurücke kehret/

Biß daß er einen geist hat in das garn gefällt.


Weisse brüste.


Wenn alles reden will/ wie können wir denn schweigen?

Es will zwar nicht der schnee von unsern hügeln gehn;

Doch wollen flammen sich auch auff den spitzen zeigen/

Die rüstig tag und nacht in vollem brande stehn.

Wer einen leichten blick in diesen circkel schicket/

Der wird alsbald bestrickt durch süsse zauberey/[268]

Das netze/ so mit lust den leichten geist bestricket/

Reist keine helden-hand und harter stahl entzwey.


Schwartze augen.


Rühmt/ schwestern/ was ihr wolt/ den ruhm von unsern fla ien

Hat keine zeit verletzt/ kein winter abgethan;

Hier steht die liebligkeit und auch die krafft beysammen/

Und dencken auff ein band/ das hertzen fangen kan.

Die schlüssel hengen hier zu tausend männer hertzen/

Die liebe hat bey uns das zeughaus ihrer macht;

Cupido holet hier das feuer zu den kertzen;

Ja/ lieben haben wir auff diese welt gebracht.


Rothe lippen.


Ein wohlgeschärffter spruch von unserm rothen throne

Thut und verrichtet mehr/ als euer stoltzes licht;

Was seyd ihr bey der nacht? Ich red es euch zu hohne/

Wann nicht die sonne scheint/ so sieht das auge nicht.

Wir aber herrschen auch/ wenn Phöbus von uns weichet/

Ja/ wenn ihr sternen-heer von wolcken wird bedeckt/

So hat manch kluges wort/ so durch die rosen streichet/

Die löwen eingeschläfft und harte stein' erweckt.


Weisse brüste.


Wenn unsre kugeln nicht mit süssem triebe schertzen/

Und dieser weisse schild der männer freyheit legt/

So stellt die Venus ja vergebens auff die hertzen/

Und selten wird ein brand ohn unsre krafft erregt.

Das beben/ so man stets um unsre grentzen spüret/

Bläßt tausend flammen auff/ und leget feuer an/[269]

Ja dieses/ was bey uns verborgen wird geführet/

Hat offtmahls mehr/ als das/ was sich gezeigt/ gethan.


Schwartze augen.


Wenn keine brust sich zeigt/ wenn lippen schweigen müssen/

So reden wir alsdenn durch unsern klaren schein/

Wir fügen offtermahls durch einen blick zu wissen/

Daß adern/ blut und marck voll glut und flammen seyn.

Lust/ hoffnung/ liebe/ zorn/ kan ieder in uns lesen/

Wir reden ohne wort/ und sprechen ohne mund;

Diß/ was noch kommen soll/ und allezeit gewesen/

Diß macht das augen-lied durch kluge blicke kund.


Rothe lippen.


Der reinen lieblichkeit/ so unser blut durchstreichet/

Vergleichet sich der tranck der götter selber nicht;

Die rosen/ derer glantz kein purpur hat erreichet/

Sind als ein meister-stück im himmel zugericht.

Der wunder-starcke safft/ der süsse thau der seelen/

So um rubinen fleußt/ und hier auff perlen steht/

Gibt deutlich zu verstehn/ daß in der augen hölen

Die reitzung öffters schläfft/ hier memahls untergeht.


Weisse brüste.


Was euer strahl bezwingt/ was eure wort verrichten/

Ist uns genug bekandt/ ist uns genug bewust.

Doch lassen wir uns auch nicht gantz und gar vernichten/

Wir sind/ bedenckt es wohl/ der garten aller lust.[270]

Die äpffel/ so allhier auff diesem stocke schweben/

Sind süsser noch als die/ so Abels mutter aß;

Ja besser/ weil sie nicht verletzen an dem leben/

Und keine schlange nicht auff ihren blättern saß.


Schwartze augen.


Je kleiner unser reich/ je grösser unsre stärcke/

Wir schrecken manche brust/ und stopffen manchen mund;

Die federn werden stumpff tn rühmung unsrer wercke/

Und manch verbrochnes wort thut unsre kräffte kund.

Das hertze klopfft für uns/ die glieder lernen zittern/

Und wer diß wahre wort für nichts und nichtig hält/

Denselben soll der strahl von unserm blitz erschüttern/

Zum zeugniß unsrer macht/ zur warnung dieser welt.


Rothe lippen.


Die seelen pflegen hier zufammenkunfft zu haben/

Und speisen sich mit lust durch süssen honigseim:

Hier pflantzet die natur den reichthum ihrer gaben/

Und Venus kocht allhier den allerbesten leim.

Ein tropffen recht gebraucht/ leimt geist und geist zusammen;

Thut nun der leim zu schlecht des mundes kräffte kund/

Und zeiget nicht genung die funcken meiner flammen/

So küsse man alsbald doch einen schönen mund.


Weisse brüste.


Diß/ was ihr itzt gerühmt/ das findt ihr hier begraben;

Des himmels rundes bild/ der rosen lieblichkeit/[271]

Des frühlings bunte lust/ des sommers süsse gaben/

Die sind mit reicher hand hier kräfftig eingestreut.

Der brand-befreyte schnee kan felsen selbst entzünden/

Und unsre blumen tilgt kein heisser sonnenschein;

Cupido wird sich uns zu loben unterwinden/

Die feder wird sein pfeil/ wir werden blätter seyn.

Quelle:
Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte erster Teil, Tübingen 1961, S. 267-272.
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