Gedancken bey auffgehender morgen-röthe

C.H.v.H.


Aurora deine rosen blicken/

Der purpur triefft aus deiner hand/

Du suchst durch dieses reine pfand

Die welt und alles zu erqvicken/

Und machst die bahn von gold und nectar voll/

Darauff dein Phöbus lauffen soll.


Ein iedes blat bey meinen füssen/

Ein ieder vogel über mir/

Verehret dich und opffert dir;

Und giebet uns mit lust zu wissen/

Wie itzt dein glantz und deiner wunder pracht

Verjagt das leid und dämpfft die nacht.


Du heist den unmuth von uns scheiden/

Die blumen weinen dir vor lust.

Du öffnest deine bunte brust/

In wilden püschen/ thal und heiden.

Nur die/ so dir fast gleichen zierrath führt/

Wird nicht durch deine pracht gerührt.


Corinne läst sich nicht bewegen/

Du fäll'st ihr wüten nicht dahin/

Sie weiß den kalten Tyger-sinn

Nicht abzuthun/ nicht weg zu legen.

Sie speiset mich mit angst und bleichem leid/

Wie du die welt mit lieblichkeit.
[405]

Ihr harter geist weiß nicht zu biegen/

Ihr haß der geht nicht mehr zu ruh/

Er will stets munter seyn wie du/

Und gegen mich zu felde liegen;

Sie macht/ daß mir dein angenehmer schein

Den blitzen ähnlich dünckt zu seyn.


Aurora brich doch diese sinnen/

Und lege diesen hohen muth!

So dir nur schimpff/ mir unrecht thut:

Komm/ tilge ferner ihr beginnen.

Legstu mir nun dergleichen kleinod zu/

So werd' ich wieder roth wie du.


Du must den kalten schnee vertreiben/

So unter warmen bergen ist/

Und mich zu martern hat erkiest/

Sonst kan und weiß ich nicht zu bleiben.

Aurora wilstu wie Corinne seyn?

Du läuffst und läst mich hier allein!

Quelle:
Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte erster Teil, Tübingen 1961, S. 403-406.
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