[Flavie schaut meine thränen]

[425] C.H.v.H.


Flavie schaut meine thränen

Nur als wasser-perlen an/

Und mein seuffzer-reiches sehnen/

So ich doch nicht lassen kan/

Zeigt mir/ daß betrügerey

Meiner treu belohnung sey.


Doch kan ich mich nicht erwehren/

Zu verehren/ was mich haßt/

Und mich schmertzlich zu verzehren/

Unter einer schweren last;

Denn die liebe liebet pein/

Und heist galle zucker seyn.


Mir gefallen noch die narben/

Die mir hat das joch gedrückt/

Und durch tausend falsche farben

Wird mein treuer sinn berückt.

Meiner fässel heller klang/

Ist mein bester trost-gesang.


Ich muß itzt zurücke dienen/

Und der sonnen edles licht/

So mir vormahls hat geschienen/[425]

Kennt itzund mein auge nicht/

Die mich ihren engel hieß/

Stöst mich aus dem paradieß.


Flavie lacht meiner schmertzen/

Meine qval ist ihre lust;

Und das joch in meinem hertzen

Ist ein kleinod ihrer brust.

Mein verderben ist ihr ziel/

Und mein' angst ihr possen-spiel.


Flavie zu deinen füssen

Leg' ich meine freyheit hin/

Und bin itzt in furcht beflissen

Dir zu opffern geist und sinn;

Doch die mir das hertze bricht/

Kennt itzund mein opffer nicht.


Die mir vormahls hat geschworen/

Der werd' ich itzt unbekandt/

Und ich singe tauben ohren/

Man verschleust mir hertz und hand/

Was mein irrthum hat gethan/

Ziert itzt ihre sieges-fahn.


Flavie ist das erbarmen

Nicht aus deiner brust verjagt?

Ach so reiche dem die armen/

Den sonst keine schuld verklagt/

Ausser daß er in der welt

Dich allzeit vor göttlich hält.

Quelle:
Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte erster Teil, Tübingen 1961, S. 425-426.
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