Der Quitzowen Fall und Untergang

[196] 1414


(Nach dem Alt-Märkischen)


Und Christ im Himmel erbarmte sich:

Da gab er zum Trost uns männiglich

Unseren Markgraf Friederich,

Einen Fürsten lobesamen.


Das ist ein Fürst von eigner Art,

In ihm sind Kraft und Mut gepaart;

Ob Laien oder wohlgelahrt,

Alle preisen seinen Namen.


Zu loben ihn uns wohl ansteht,

Ihn, den so lange die Mark erfleht;

Gott selber in seiner Majestät

Hat ihn uns erwecket.


Seit Kaiser Karl zu Prag uns starb,

Das Land verkam, das Land verdarb,

Bis Friedrich unsre Mark erwarb,

Das hat die Räuber erschrecket.


Und die ihm wollten widerstehn,

Wie der Kuckuck waren sie anzusehn,

Er war der Adler, sie waren die Krähn.

Er zerstäubte sie geschwinde.


Die Quitzowschen schwuren einen Eid:

»Wir machen ihm das Land zu Leid«,

Und dazu waren sie wohl bereit

Mit ihrem Ingesinde.


»Was soll uns der Nürrenberger Tand?

Ist Spielzeug nur in unsrer Hand,[196]

Wir sind die Herren in diesem Land

Und wollen es beweisen.


Und regnet's Fürsten noch ein Jahr,

Das macht nicht Furcht uns und Gefahr,

Er soll uns krümmen nicht ein Haar,

Nach Hause soll er reisen.


Und kommt zu Fuß er oder Pferd,

Mit Büchse, Tartschen oder Schwert,

Uns dünkt es keinen Heller wert,

Er muß dem Land entsagen.


Und will er nicht, es tut nicht gut;

Wir stehen mutig seinem Mut,

Zehn Schlösser sind in unsrer Hut,

Er soll uns nicht verjagen.«


Als das die Fürstenschaft vernahm,

In Hasten alles zusammenkam;

Einem jeden wär' es Schimpf und Scham,

Wär' er da nicht gekommen.


Der Bischof von Magdeburg war zur Hand,

Günter von Schwarzburg war er genannt,

Nach Plaue hat er sich gewandt

Und die »Grete« mitgenommen.


Dann zog heran ein Sachsenhauf',

Herzog Rudolf allen vorauf.

Nach Golzow nahm er Ziel und Lauf

Und stellte sich vor die Feste.


Da ließ er schwenken seine Fahn':

»Ich denke, rasch ist gut getan,

Laßt uns an ein Stürmen gahn,

Und jeder tue das beste.«[197]


Burggraf Friedrich aber vor Friesack zog,

Der Graben war tief, die Mauer war hoch,

Aber die Franken stürmten sie doch,

Alle wollten sie Ritter werden.


Ein Hagel von Pfeilen sie flugs empfing,

Da schützte nicht Schiene, nicht Panzerring,

Mancher Pfeil bis in das Herze ging,

Und viele sanken zu Erden.


Ja, Pfeile flogen und Kugel und Stein,

Da riefen die Franken: »Tritt für uns ein,

Maria, woll' uns gnädig sein,

Auf daß der Hochmut erliege.«


Die heilige Jungfrau, sie war es gewillt,

Sie lieh den Stürmenden ihren Schild,

Ein jeder sah ihr Himmelsbild,

Und so schritten sie zum Siege.


Das Wetter war kraus und ungestalt,

Es regnete, schneite und war kalt,

Die Schlösser kamen in unsre Gewalt,

Weil Gott im Himmel es wollte.


Friesack, Plaue, Rathenow,

Und Golzow und Beuthen ebenso,

Sie huldigen Friedrich, und alle sind froh,

Daß Recht Recht bleiben sollte.


Die Fürsten lenkten heimwärts ein,

Desgleichen die Städte, groß und klein;

Viele waren geschossen durch Hüft' und Bein

Und hinkten nach Haus an Krücken.


Ach, reicher Gott, den Fürsten gut,

Nimm ihn gnädig in deine Hut[198]

Und woll' ihn durch dein heilig Blut

Erquicken und beglücken.


Auch seiner edlen Fraue zart

Sei'n deine Gnaden aufgespart,

Dann sind allbeide wohlbewahrt

In deinem Himmel droben.


In deinem Himmel, nach dem wir schaun,

Auf den wir all in Hoffnung baun,

Um willen Unsrer lieben Fraun,

Die wir rühmen und preisen und loben.


Quelle:
Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 20, München 1959–1975, S. 196-199.
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