Werbung

[99] Werbung, 1) das Nachsuchen, um etwas zu erlangen; 2) das Anhalten um die Hand eines Frauenzimmers; 3) bei den Handwerkern das Nachsuchen um das Meisterrecht; 4) die Bestellung eines Gesellen beim Herbergsvater von Seiten eines Meisters, welcher einen Gesellen braucht; 5) die Handlung, vermöge deren Männer zum Kriegsdienste verpflichtet werden. Sie war Anfangs blos freiwillig, so daß es von jedes Mannes Willkür abhing, ob er sich anwerben lassen wollte; später erhielten die angeworbenen Soldaten eine Belohnung dafür, Werbegeld (Handgeld). Nach Annahme desselben u. nachdem er einen Militärhut aufgesetzt erhalten hatte, war er zum Dienen verpflichtet. Meist betrug es 4–6 Louisd'or. Noch[99] später entstand die Aushebung, wobei bes. Arme, Liederliche, aber auch, in Ermangelung dieser u. freiwilliger Recruten, die Söhne der Bauern zum Kriegsdienste von den Civilbehörden abgegeben wurden. Die privilegirten Stände, Adel, Geistlichkeit, Staatsdiener etc., waren ausgenommen. Eigentliche Aushebung findet jetzt nur noch in Rußland statt. Mehr geordnet u. mit Zuziehung der Städte u. deren nicht privilegirten Bürgerssöhne wurde diese Aushebung zum Cantonsystem, wie es in Preußen vor 1814 stattfand u. in Österreich noch gegenwärtig besteht (s.u. Wehrsystem S. 12). Die vielen Ungerechtigkeiten, welche dabei vorkamen, so wie die Anerkennung der Kriegspflichtigkeit jedes Bürgers veranlaßte die Einführung der Conscription, zuerst in Frankreich u. dann, von Napoleon übergetragen, auch in Deutschland, wo das Loos od. die gezogene Nummer über die Dienstpflicht entscheidet (s.u. Wehrsystem S. 12 f.). 6) Im speciellsten Sinne die eigentliche sogenannte freiwillige W., wie sie in der Zeit zwischen dem Dreißigjährigen Kriege u. Friedrichs des Großen Tod, ja noch später bis in die Mitte der Französischen Revolution hinein stattfand. Jetzt ergänzt sich nur noch das englische Heer ausschließlich auf diese Art; andere Heere hatten einzelne geworbene Regimenter (wie die Schweizerregimenter in neapolitanischen u. päpstlichen, auch in französischen, spanischen, niederländischen u.a. Diensten, die französische Fremdenlegion u.a.). Sonst war die freiwillige W. in dem 17., noch mehr aber in dem 18. Jahrh. in ein förmliches System des Zwangs u. der List gebracht, Fast alle größere deutsche Staaten, bes. aber Österreich u. Preußen, hatten damals eigne Anstalten zur W., welche oft von den Regimentern, oft von den Inspectionen der Truppen abhingen. Jedes derselben sendete einen Hauptmann (Werbehauptmann), der wieder einige Offiziere (Werbeoffiziere) u. handfeste Unteroffiziere (Werbeunteroffiziere) u. Soldaten zu seinen Gehülfen hatte. Diese Personen insgesammt wurden Werber u. ihre Station Werbebureaux (Werbedepot) genannt. Jedes derselben hatte eine eigne Werbekasse, aus welcher die, bei der W. vorkommenden geheimen Ausgaben, die Werbegelder etc. bestritten wurden. Jedem Werbecommando war eine besondere Stadt (Werbeplatz), welcher die Werbefreien Orte, bes. mit der Werbefreiheit privilegirten Städte, entgegengesetzt waren, angewiesen, von wo aus sie ihre Manipulationen begannen. Ging es redlich zu, so erfolgte eine förmliche Capitulation, d.h. ein eigner Vertrag, in welchem Handgeld u. Dienstzeit streng bestimmt wurde u. welcher dann von dem Capitulanten richtig gehalten werden mußte; sehr oft wurde aber kein solcher geschlossen, od. nicht gehalten. Diese Werbeplätze lagen meist im eignen Gebiete, sehr oft hatten aber auch die größeren Staaten sich bei kleineren die Gestattung. der W. in ihrem Gebiete ausgewirkt u. zahlten dafür eine Summe an den Landesherrn, od. maskirten dies durch Ernennung desselben zum General, Ertheilung eines Regiments u. jährlicher Zahlung der dem Inhaber bestimmten Gage. Auf solchen Werbeplätzen wandten nun die Werbeoffiziere die unerlaubtesten Mittel u. gröbsten Täuschungen, ja oft den verbrecherischsten Betrug an, um Unerfahrene in ihre Netze zu locken. Jetzt findet W. dieser Art nirgends mehr statt. Die unerlaubte W. kann nur dann als Menschenraub (außerdem als Verrätherei, od. feindselige Handlung gegen den Staat) angesehen werden, wenn der Geworbene wider seinen Willen durch List od. Gewalt gegen die Gesetze zum Kriegsdienste gezwungen wird. Was Recht der W. ist unter dem Wehr- u. Waffenrecht begriffen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 99-100.
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